EXPERTENINTERVIEW EXPERTENTELEFON „SCHLAGANFALL“ am 24.05.2012

Experteninterview zum Thema „SCHLAGANFALL“ mit Prof. Dr. Rolf Schneider, Neurologe, Chefarzt der Neurologischen Klinik am Klinikum Aschaffenburg und wissenschaftlicher Berater der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Schlaganfall ist die dritthäufigste Todesursache in Deutschland. Wie ist das gemeint? Kann der Hirninfarkt an sich tödlich sein oder geht es um die Folgen?

  • Prof. Dr. Rolf Schneider: Beides ist richtig. Die generelle Aussage bezieht sich allerdings auf den Schlaganfall als unmittelbare Todesursache. Aber auch die mittelbaren Folgen eines Schlaganfalls können langfristig das Leben verkürzen.

Rund ein Fünftel der Patienten sterben binnen vier Wochen. Weitere knapp 40 Prozent innerhalb eines Jahres. Wie kommt das?

  • Prof. Dr. Rolf Schneider: Einige Schlaganfallarten, zum Beispiel Hirnblutungen, haben primär schon eine Sterblichkeit von 50 Prozent. Bei anderen ist der Schlaganfall ein Indikator für weitere Gefäßleiden, beispielsweise eine Erkrankung der Herzkranzgefäße, oder auch für bestimmte Risikofaktoren, wie Bluthochdruck oder Diabetes. Die Patienten können somit im weiteren Verlauf auch an anderen Krankheiten sterben.

Hat die Zahl der Schlaganfälle zugenommen? Was erwarten Sie für die Zukunft?

  • Prof. Dr. Rolf Schneider: Die Zahl der Schlaganfälle hat schon aus demografischen Gründen zugenommen und wird auch weiter steigen. Je älter unsere Bevölkerung wird, desto mehr Schlaganfälle wird es geben.

Gilt der Schlaganfall immer noch als Alterserscheinung? Wie hoch ist der Prozentsatz der Betroffenen, die unter 30 oder 40 Jahre alt sind?

  • Prof. Dr. Rolf Schneider: Schlaganfälle nehmen mit zunehmendem Alter zu. Sie kommen jedoch auch bei Jüngeren vor. In der Alterskohorte der 35- bis 44-Jährigen beträgt der Anteil an allen Schlaganfällen etwa zwei Prozent.

Wie kommt es, dass immer häufiger jüngere Menschen gefährdet sind? Welche Altersgruppe ist dabei besonders betroffen?

  • Prof. Dr. Rolf Schneider: Wir haben zunehmend ein Ernährungsproblem bei jungen Menschen: zu viel kalorienreiche Nahrung, zu wenig Bewegung. Bis sich dies ungünstig auswirkt, vergeht einige Zeit. Wir werden dann aber den größten Zuwachs bei den „Mittelalten“, d. h. den 40- bis 60-Jährigen zu verzeichnen haben.

Sind Frauen weniger schlaganfallgefährdet als Männer? Warum?

  • Prof. Dr. Rolf Schneider: Das galt vielleicht früher einmal. Inzwischen sind Frauen nicht mehr weniger gefährdet als Männer. In der Erkrankungsstatistik haben sie die Männer längst eingeholt.

Bei Schlaganfall denkt man sofort an einen Gefäßverschluss. Es gibt aber auch Gehirnblutungen. Wann treten diese auf und warum?

  • Prof. Dr. Rolf Schneider: Hirnblutungen können entstehen, weil ein Gefäß durch hohen Blutdruck platzt oder weil eine Gefäßaussackung – ein sogenanntes Aneurysma – platzt. Auch übermäßiger Alkoholgenuss erhöht das Risiko. Der Zeitpunkt, wann eine solche Blutung auftritt, ist nicht prognostizierbar. Es sind nur Aussagen zum Risiko möglich.

Wie kann man einem Schlaganfall vorbeugen und ab welchem Alter sollte ich mit der Prävention beginnen?

  • Prof. Dr. Rolf Schneider: Mit der Prävention kann man nicht früh genug beginnen – am besten in der Jugend. Denn in jungen Jahren wird das Gesundheitsverhalten häufig noch durch Vorbilder geprägt. Insofern sollten Eltern, die ein Stück für die spätere Gesundheit ihrer Kinder mitverantwortlich sind, mit einer ausgewogenen Ernährung, ausreichender Bewegung, mäßigem Alkoholkonsum und Nichtrauchen mit gutem Beispiel vorangehen. Im Übrigen gelten die bekannten Regeln: Schlank – aber nicht dünn – und beweglich bleiben.

Gibt es konkrete Warnsymptome vor einem Schlaganfall?

  • Prof. Dr. Rolf Schneider: In vielen Fällen kündigt sich ein Schlaganfall durch Begleiterscheinungen an. Flüchtige Lähmungen, Gefühls-, Koordinations- und Sprachstörungen kommen häufig vor. Etwa 70 Prozent dieser Warnsymptome sind jedoch nach spätestens 15 Minuten wieder weg und werden daher oft nicht ernst genommen.

Woran merkt man, dass man einen Schlaganfall hatte?

  • Prof. Dr. Rolf Schneider: Lähmungserscheinungen einer Körperhälfte, Taubheitsgefühle, Sprachstörungen oder starke Kopfschmerzen können mögliche Indizien sein. Oft ist es jedoch so, dass die Familie noch vor den Betroffenen merkt, dass etwas nicht stimmt. Dies gilt beispielsweise für den herunterhängenden Mundwinkel, der häufig infolge einer halbseitigen Gesichtslähmung als Indiz für einen Schlaganfall auftritt.

Wann treten Hirnschädigungen auf und wie werden sie behandelt?

  • Prof. Dr. Rolf Schneider: Hirnschäden treten schon nach wenigen Minuten auf, können aber durch rasches Handeln begrenzt werden. Im Idealfall kann der Patient einer Lysetherapie zugeführt werden, bei der das gefäßverschließende Gerinnsel mit Medikamenten wieder aufgelöst wird. Aber auch die umfassende Behandlung auf einer spezialisierten Schlaganfallstation (stroke unit) verbessert die Chancen.

Mit welchen Problemen sehen sich Patienten nach einem Schlaganfall konfrontiert?

  • Prof. Dr. Rolf Schneider: Der Schlaganfall ist die häufigste Ursache für Behinderung. Bisherige Selbstverständlichkeiten, wie beispielsweise Schuhe zubinden, werden plötzlich zum Problem. Am schlimmsten ist wohl der mit der Behinderung verbundene Verlust an Selbstbestimmung. Viele Patienten leiden sehr darunter und werden aus diesem Grund depressiv.
Quelle: deutsche journalisten dienste (djd),
Gesundheitsthemen